Rosinenpicker Nr. 6, vom 17. Juni 2005

von Karl G. Mund

Mein Schmusekrokodil fing schrecklich an zu schluchzen, die Tränen setzten unser Schlafzimmer unter Wasser, als wir in der Frankfurter Rundschau vom großen Kummer des Abdullah Gül lasen, ist doch die Nibelungentreue der Deutschen zu ihren türkischen Waffenbrüdern seit den Zeiten des Ersten Weltkrieges ernsthaft ins Wanken geraten. Wie konnte solches auf dem Weg in eine „privilegierte Partnerschaft“ geschehen? Da ist doch wohl Sand im Getriebe.

Richtig, Herr Außenminister! Und der Sand heißt Aufklärung, Heißt. sich der Verantwortung gegenüber der Geschichte stellen. Und in der Geschichte überwiegen oft die Schurkereien über die Heldentaten, nebenbei bemerkt: auch in der kurdischen und yezidischen Geschichte, von der deutschen ganz zu schweigen. Der Schlüssel zu solcher Verantwortung steckt unter anderem im Schulunterricht und in den Lehrbüchern zur Geschichte. Wo Geschichte bis in die jüngste Zeit zum Teil als mythische Erzählung vermittelt wird mit dem Anspruch, so sei es gewesen und nicht anders, liegt die Tendenz nahe, die Übeltäter der eigenen Geschichte als Opfer anderer Mächte oder Machtkonstellationen zu bejammern. Es gibt wohl kein Land der Erde, wo eine solche Tendenz unbekannt wäre. Darum sollte kein Politiker nur auf die anderen sondern immer auch auf sich zeigen.

Genau das wird der deutsche Bundestag mit Zustimmung aller Fraktionen tun, indem deutsche Politiker stellvertretend für ihre Amtsvorgänger vor 90 Jahren die Mitschuld der damaligen Regierung am Völkermord an rund eineinhalb Millionen Armeniern vor der Öffentlichkeit der Welt und vor der eigenen Geschichte bekennen. Abdullah Gül meint, dieser Beschluss würde die Türken sehr verletzen, und die vollständige Integration der in Deutschland lebenden Türken überschatten. Aber hallo, Herr Minister, sonst geht es Ihnen wohl gut, oder?

Wer hat, um den palästinensischen Journalisten und Philosophen Edward Said zu zitieren, seit 1915 den Mächtigen (in der Türkei, im Irak, in Syrien, im Iran, in Palästina/Israel usw. – und natürlich auch in Deutschland oder USA) die Wahrheit ins Gesicht gesagt? Ich hatte im Laufe meines Lebens mehrmals das Privileg solche Leute kennenzulernen, u.a.: Uri Avnery, Stanley Meron, Hans Lebrecht und Jeremy Milgrom in Israel, Martin Niemöller und Helmut Gollwitzer in Deutschland, in USA John Neumeier, Mike Palmer, Nancy Rice (nicht verwandt mit Condoleeza R.), sowie Sis Cunningham, Utah Philipps und Pete Seeger, die den Mächtigen ihrer Zeit die Wahrheit ins Gesicht sangen, und das, wie im Fall von Pete Seeger über mehr als 60 Jahre, von Franklin D. Roosevelt bis George W. Bush, und er hat keinen ausgelassen! Ich hoffe, dass ich noch weiteren dieser Menschen begegnen darf, solange begnüge ich mich damit, ihre Schriften zu lesen und die Informationen dazu unter meinen Bekannten zu verbreiten.

Demnächst wird vermutlich gewählt in unserem Lande. Ich suche noch Mitstreiter, um den Mächtigen in diesem Lande einige kleine Wahrheiten zu sagen, was z.B. die Lage der Menschen in diesem Lande betrifft, die seit langem kein Arbeitseinkommen mehr hatten und auch aus Gründen des Alters oder der Gesundheit oder wegen mangelnder Qualifikation kaum noch eine Chance auf ein solches Einkommen haben werden.

Da die Damen und Herren Gesetzgeber kaum je in einer solchen Lage waren und auch künftig wenig Chancen dazu haben, ist Aufklärung vonnöten. Mir fällt auf, dass unter den Yeziden überdurchschnittlich viele Menschen davon betroffen sind. Ich bereite einige „Wahlprüfsteine“ vor, die ich den Mandatsträgern wie den Kandidaten zuleiten möchte, der erste ist bereits fertiggestellt. Dafür benötige ich noch mehr Material als ich in meiner heimischen Umgebung finde. Wer also was weiß, möge mich bitte umgehend informieren. Also liebe Leser: immer wieder reinschauen, was neu ist beim Yeziden-Colloquium, und auch mal mithelfen beim Herauspicken der Rosinen!

Impressum