Rosinenpicker Nr. 14, vom 08. Februar 2006

von Karl G. Mund

Das Gegenteil von Kunst ist „gut gemeint“, das gilt auch für Karikaturen. Es soll aber auch Zeitgenossen geben, die eine Karikatur nur respektieren, wenn sie „schlecht gemeint“ ist. Das ist aber ein leider weit verbreiteter Irrtum, dem sowohl manche Zeichner der in diesen Tagen heiß umstrittenen Karikaturen der dänischen Zeitung „Jyllands Posten“ erlegen sind als auch viele ihrer vehementen Gegner.

Ich habe mir die Zeichnungen angeschaut, das können meine Leser natürlich auch, und zwar in der Sonderausgabe „cartoon wars“ von „openDemocracy“, Ausgabe 85/5, online: www.opendemocracy.net, Damit mensch weiß, um was es geht, sind die ursprünglich dänischen Titel auf englisch beigefügt.

Satire und Karikatur sollten dazu dienen, in überspitzter Form jeweils ein Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufzuzeigen. Wenn Religion das Thema ist, geht es Satire und Karikatur um Aufdeckung von Bigotterie und Heuchelei. Diesem inhaltlichen Auftrag ist nur höchstens eine der umstrittenen Karikaturen in Ansätzen gerecht geworden. Zwei weitere haben vielleicht noch die Kategorie „schlecht gemeint“ erreicht, für den Rest muss mein Urteil lauten: in vollem Umfang ungenügend. Welche das jeweils sind, mag die geneigte Leserschaft selbst herausfinden.

Im Fernsehen wird zur Zeit viel diskutiert, was Satire darf in Bezug auf Religion und was nicht. Man sieht viele beleidigte Leberwürste und viel Feigheit vorm Feind wie vorm Freund. Hat denn noch niemand begriffen, dass Demokratie und Staatsreligion einander ausschließen? Das klappt vielleicht im Vatikanstaat, und dieser versteht sich nicht als Demokratie!

Es ist das gute Recht jedes Muslim, sich von diesen oder ähnlichen Karikaturen beleidigt zu fühlen. Und er hat auch das Recht, dies laut und öffentlich zu äußern. Er hat das Recht, sein Abo bei Jyllands Posten zu kündigen und seine Freunde aufzurufen, es ihm gleich zu tun.

Wenn aber die Regierung Dänemarks oder Norwegens usw. wegen des schwachen Geschmacks eines provinziellen Chefredakteurs angegriffen werden, indem man ihre Botschaften brandschatzt und Flaggen verbrennt, dann kann das nicht mit einem diplomatischen Achselzucken beantwortet werden. Besonders in Deutschland sollte mensch aufmerksam werden, wenn Bilder von spontanem Volkszorn gezeigt werden, und an den 9. November 1938 denken.

Dies ist eine yezidische Website, und ich habe bis hierher noch nicht gesagt, wieso das Yeziden etwas angeht. Nun, es geht sie viel an. Die bis in die Gegenwart reichende Verfolgung von Yeziden in den islamischen Staaten basiert auf Verleumdung des yezidischen Glaubens. Eine Verfolgung aus demselben Geist heraus, der sich jetzt als Opfer unsäglicher Beleidigung darstellt und als Strafe dafür Flaggen verbrennt, die das zentrale christliche Symbol zeigen.

Wenn das Medieninteresse an brennenden Flaggen und Botschaften abflaut, wird man die Massen der Unzufriedenen mit anderen Aktivitäten bei Laune halten müssen. Und dafür hat fast jedes Land der Region kleine Minderheiten mit nicht-islamischen Sitten und religiösen Bräuchen. Und Yeziden gibt es in mehreren dieser Länder, da wird sich sicher bald jemand finden, der Anstoß am Engel Pfau nehmen möchte.

Und was könne „der Westen“ dagegen tun? Ein Erdölboykott scheint kontraproduktiv. Aber wenn die Politiker und Journalisten bei Bällen und Partys auf Kaviar verzichten würden?

 

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